Mal einer zum Nachdenken
Risikoanalyse im Schützenverein
Tradition im Wandel: An der Universität Paderborn untersuchen Wissenschaftler die Zukunftsfähigkeit regionaler Vereine. Wenn sie weiterhin bestehen wollen, müssen sie ihre Strukturen verändern, sagen die Forscher
Von Hanna Paßlick
Paderborn. So, wie es jetzt ist, geht es nicht mehr lange gut: Forscher der Universität Paderborn haben die Zukunftsfähigkeit von Schützenvereinen untersucht. Ihre Analyse zeigt, dass viele Vereine aus der Region mit großen Problemen zu kämpfen haben. Sie reichen von der Überalterung der Mitglieder bis hin zum Personalmangel. Um einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln, kooperieren die Paderborner jetzt mit der Brauerei Warstein.
Die Probleme von Schützenvereinen spitzen sich zu. In NRW lässt sich seit einigen Jahren der Trend beobachten, dass Schützenvereine Mitglieder verlieren oder gleich aufgelöst werden. Die Zahlen des Deutschen Schützenbundes zeigen, dass alleine zwischen 2014 und 2015 elf Vereine in Westfalen aufgeben mussten, unter anderen in OWL, einer Region mit vielen Vereinen.
Fünf Schützenvereine gewähren Einblicke in ihre Strukturen
Diesem Phänomen ist der Paderborner Risikoforscher Peter Becker auf der Spur. Becker leitet das Projekt zur Zukunftsfähigkeit der Vereine und hat Studenten in fünf Schützenvereine (St. Johannes und St. Hubertus Wewer, St. Hubertus Brilon, St. Andreas Velmede-Bestwig, St. Severinus Calle und die Bürgerschützengesellschaft Warstein) geschickt, um eine sogenannte Risikoanalyse durchzuführen.
Die Reaktionen der Vereine seien sehr positiv, erklärt Becker. „Viele finden es gut, dass sich jemand kümmert und mal schaut, was da eigentlich los ist.“ Die Schützen gewährten den Studenten tiefe Einblicke in das Vereinsleben und die Strukturen.
„Risikoanalysen sind eigentlich für Banken vorgesehen. Die Ergebnisse können dann in Euro beziffert werden“, erklärt Becker. Doch die Systematik sei auch auf andere Bereiche übertragbar. Probleme erkennen, analysieren und bewerten, um sie anschließend zu beheben – all das sei auch bei Schützenvereinen durchführbar und habe zu interessanten Ergebnissen geführt.
„Bei der Analyse sind mehrere große Problemfelder sichtbar geworden“, erklärt Becker. Zum einen sei es für die Vereine immer schwieriger, Vorstandsposten zu besetzen. „Von jemandem, der so ein Ehrenamt übernimmt, wird viel Einsatz erwartet – und das kostet kontinuierlich Zeit.“ Gleichzeitig seien die Anforderungen an Vorstandsmitglieder gestiegen. Es werden immer häufiger Fachleute gebraucht, die sich in Finanz-, Rechts- oder Steuerfragen auskennen, um den Verein managen zu können. Diese Anforderungen halten viele Vereinsmitglieder davon ab, sich zur Wahl zur stellen.
Problematisch sei auch die Überalterung der Vereine. Den Zahlen zufolge leben die Vereine von ihrer Substanz: Nahezu jedes zweite Mitglied sei heute über 60 Jahre alt, sagt Projektmitarbeiter Philipp Rustemeier. „Das ist eine schleichende, aber kontinuierliche Entwicklung.“
Militärische Strukturen schrecken ab
Mit ein Grund dafür könnten veraltete Traditionen und Bräuche sein, sagt Becker. Beispielsweise der Grundsatz „Glaube, Sitte, Heimat“ sage Jugendlichen heute nicht mehr viel. „Auch starre militärische Strukturen haben eine eher abschreckende als einladende Wirkung.“
Weil die Zahl konkurrierender Freizeitangebote wächst, müssten Schützenvereine lernen, umzudenken: Was könnte ein Verein über das Schützenfest hinaus bieten? Welche Prinzipien sind notwendig, welche hinderlich? Und womit lassen sich neue Mitglieder werben? „Darauf zu warten, dass junge Menschen kommen, funktioniert nicht mehr“, erklärt Becker.
Wer bestehen wolle, müsse sich an alternative Formen des Engagements heranwagen. Mit Hilfe der Analyseergebnisse sollen jetzt Handlungsempfehlungen erarbeitet werden. Eine Art Werkzeugkasten, der den Vereinen zeigt, wie eine Erhaltung ihrer Gemeinschaft aussehen könnte. Eine Masterarbeit zu dem Thema sei bereits in Arbeit, sagt Rustemeier. Weitere sollen folgen, wenn Ergebnisse aus einer Onlineumfrage vorliegen.
© 2017 Lippische Landes-Zeitung Lippische Landes-Zeitung, Montag 27. März 2017 |
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